Andreas Buck

NRWs einzige Bio-Mühle: Das Erfolgsrezept der Eiling-Brüder

Nachhaltig und fair: Die Brüder Eiling betreiben in Warstein die einzige Bio-Mühle in NRW. Zunächst belächelt, gibt ihnen der Erfolg recht. In einem schmucklosen Büro hängen die Bio-Zertifikate an der Wand. Thorsten Eiling (43) lächelt, wenn er ein paar Jahre zurückdenkt. Als er mit seinem Bruder Jens die Idee fasste, die etwas andere Mühle in Betrieb zu nehmen. „Wir wurden am Anfang belächelt: Das will doch keiner, das lohnt sich nicht“, erinnert sich der Müllermeister an 2011. Gut zehn Jahre später rühmen sich die Brüder noch immer mit dem Alleinstellungsmerkmal, das einen Zeitgeist so sehr trifft wie es damals kaum zu erwarten war: Ihre Bio-Mühle in Warstein ist die einzige in ganz NRW. 100 Prozent Bio-Ware – und jedes Gramm Mehl lässt sich dem Bauernhof zuordnen, auf dem das Getreide produziert wurde.

Mehl-Manufaktur gegen Massenware

Es ist eine Nische. Ihre Nische in einer Branche, die sich stark verändert hat: Filialketten und Discountanbieter haben mit ihrer Massenware den kleinen unabhängigen Bäcker oft schon vom Markt verdrängt. Den Eilings geht es nicht um Masse. „Wir machen das, was in großen Mengen nicht geht“, sagt Thorsten Eiling. „Unser Mehl ist nicht das Standardmehl, es ist ein Qualitätsprodukt. Und wenn es nicht zu einem besseren Ergebnis führen würde als das Brot, das man im Supermarkt aus der Klappe ziehen kann, dann gäbe es uns schon längst nicht mehr“, sagt Jens Eiling (40). 

Das verarbeitete Bio-Getreide stammt von Landwirten in der Region, die „fair bio“-Zertifikat bezahlt werden: aus Möhnesee, Werl, Anröchte, Bad Sassendorf, Oelde und natürlich Warstein, zu kleinen Teilen aber manchmal auch aus Hessen oder Bayern. Grund: Der bio-zertifizierte Anbau auf den hiesigen Böden ist nicht so leicht: Spritzmittel und Kunstdünger sind verboten. Das hat Einfluss auf Fruchtfolge und Ertrag und damit auf die Verfügbarkeit. 

Ökostrom, Papiertüten, keine Kunststoffanteile 

„Unser Papa hat schon auf Nachhaltigkeit geachtet“, sagt Thorsten Eiling, dessen Familie auf 450 Jahre Mühlentradition zurückblickt. Deswegen wird ein Teil des Stroms dank des Wassers der Möhne mit der eigenen Turbine generiert, der eingekaufte Strom ist Öko-Strom. Das Mehl wird in braune Papiertüten verpackt, die Etiketten sind ohne Kunststoffanteile. Alles biologisch abbaubar. 

90 Prozent der Kundschaft, sagt Thorsten Eiling, befänden sich in einem Radius von 120 Kilometern um die Mühle herum, vor allem ins Ruhrgebiet und ins Münsterland gehen die Lieferungen. Abnehmer sind kleine Filialbäcker, Bio-Läden, Hof-Bäckereien, die ihr eigenes Getreide verbacken, aber auch Industriekunden, die z.B. Sauerteigpulver herstellen – und nicht zuletzt Privatkunden, die über den Online-Shop  laut Eigenwerbung „Mehl in Bäckerqualität“ bestellen können. Auf jede Packung wird wird der Name des Landwirts gedruckt, der das Getreide geliefert hat. „Den Kunden ist es immer wichtiger geworden, zu wissen, wo das herkommt, was sie essen oder verarbeiten“, sagt Jens Eiling. Durch Corona habe das noch einmal stark zugenommen.

Ausbau der Anlage: „So viele Aufträge, dass wir erweitern mussten“

Als sie damals anfingen, gab es drei weitere festangestellte Mitarbeiter, die 2000 bis 3000 Tonnen Mehl im Jahr produzierten. Mittlerweile hat sich der Wert auf rund 6000 Tonnen mehr als verdoppelt. 15 fest angestellte Mitarbeiter sind es jetzt. Auch weil die Brüder in die Anlage investierten. Neben der halben Million, die am Anfang nötig war, um das gepachtete Gebäude in Sichtigvor umzubauen und die Maschinen anzuschaffen, steckten sie in den vergangenen sechs Jahren weiteres Geld in neue Silos und Vermahlungsmaschinen. „Wir hatten so viele Anfragen, dass wir erweitern mussten“, sagt Thorsten Eiling. 

Trotzdem gehöre man noch zu den kleinen Mühlen im Land. Mittelständische Mühlen schafften 100 bis 250 Tonnen am Tag, die größeren 250 bis 1500. Die Eilings kommen auf 25 bis 30 Tonnen am Tag. Aber dafür eben eher als Mehl-Manufaktur, als Maßanfertigung für die Kunden, die auf gleichbleibende Qualität setzten. Seltene Sorten oder Spezialwünsche? Seien kein Problem. Es gibt Mehl aus Champagnerroggen, Waldstaudenroggen, Gelbweizenmehl, Oberkulmer Dinkelrotkorn extrafein. Die Liste ließe sich endlos fortführen. Jedes Mehl hat seine besondere Eigenschaften was den Mineralstoffgehalt angeht, die Enzymtätigkeit oder den Klebeanteil. 

Das Kilogramm vom Standard-Weizenmehl 405 kostet in der Bio-Variante 2,49 Euro – beim Discounter nur etwa ein Fünftel. „Unser Angebot richtet sich an Kunden, die bereit sind, für mehr Transparenz und Nachhaltigkeit einen höheren Preis zu zahlen“, sagt Thorsten Eiling. Davon gibt es offenbar derzeit noch mehr als genug. 

HINTERGRUND

Der Verband der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft teilt auf Nachfrage mit, dass es in ganz NRW noch 20 Mühlen gibt. Allerdings erfasse die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) nur Mühlen, die mindestens 1000 Tonnen im Jahr vermahlen. Insgesamt gibt es in Deutschland 550 Mühlen, 185 davon werden in der amtlichen Statistik erfasst. 37 von den 185 Mühlen in Deutschland sind Mühlen, die neben dem konventionellen Getreide auch Bio-Getreide vermahlen. Dabei kann es aber in den Geräten und Rohren zu messbaren Vermischungen kommen. Nur eine reine Bio-Mühle sei bekannt.


Ersterscheinung  Beitrag bei Westfalenpost.
Mit freundlicher Genehmigung der späteren Veröffentlichung auf unserer Seite für unsere Kunden und Follower.
Auf dem Bild von links nach rechts: Thorsten und Jens Eiling.
Foto: Andreas Buck / FUNKE Foto Services

Nachhaltig und fair: Die Brüder Eiling betreiben in Warstein die einzige Bio-Mühle in NRW. Zunächst belächelt, gibt ihnen der Erfolg recht. In einem schmucklosen Büro hängen die Bio-Zertifikate an der Wand. Thorsten Eiling (43) lächelt, wenn er ein paar Jahre zurückdenkt. Als er mit seinem Bruder Jens die Idee fasste, die etwas andere Mühle in Betrieb zu nehmen. „Wir wurden am Anfang belächelt: Das will doch keiner, das lohnt sich nicht“, erinnert sich der Müllermeister an 2011. Gut zehn Jahre später rühmen sich die Brüder noch immer mit dem Alleinstellungsmerkmal, das einen Zeitgeist so sehr trifft wie es damals kaum zu erwarten war: Ihre Bio-Mühle in Warstein ist die einzige in ganz NRW. 100 Prozent Bio-Ware – und jedes Gramm Mehl lässt sich dem Bauernhof zuordnen, auf dem das Getreide produziert wurde.

Mehl-Manufaktur gegen Massenware

Es ist eine Nische. Ihre Nische in einer Branche, die sich stark verändert hat: Filialketten und Discountanbieter haben mit ihrer Massenware den kleinen unabhängigen Bäcker oft schon vom Markt verdrängt. Den Eilings geht es nicht um Masse. „Wir machen das, was in großen Mengen nicht geht“, sagt Thorsten Eiling. „Unser Mehl ist nicht das Standardmehl, es ist ein Qualitätsprodukt. Und wenn es nicht zu einem besseren Ergebnis führen würde als das Brot, das man im Supermarkt aus der Klappe ziehen kann, dann gäbe es uns schon längst nicht mehr“, sagt Jens Eiling (40). 

Das verarbeitete Bio-Getreide stammt von Landwirten in der Region, die „fair bio“-Zertifikat bezahlt werden: aus Möhnesee, Werl, Anröchte, Bad Sassendorf, Oelde und natürlich Warstein, zu kleinen Teilen aber manchmal auch aus Hessen oder Bayern. Grund: Der bio-zertifizierte Anbau auf den hiesigen Böden ist nicht so leicht: Spritzmittel und Kunstdünger sind verboten. Das hat Einfluss auf Fruchtfolge und Ertrag und damit auf die Verfügbarkeit. 

Ökostrom, Papiertüten, keine Kunststoffanteile 

„Unser Papa hat schon auf Nachhaltigkeit geachtet“, sagt Thorsten Eiling, dessen Familie auf 450 Jahre Mühlentradition zurückblickt. Deswegen wird ein Teil des Stroms dank des Wassers der Möhne mit der eigenen Turbine generiert, der eingekaufte Strom ist Öko-Strom. Das Mehl wird in braune Papiertüten verpackt, die Etiketten sind ohne Kunststoffanteile. Alles biologisch abbaubar. 

90 Prozent der Kundschaft, sagt Thorsten Eiling, befänden sich in einem Radius von 120 Kilometern um die Mühle herum, vor allem ins Ruhrgebiet und ins Münsterland gehen die Lieferungen. Abnehmer sind kleine Filialbäcker, Bio-Läden, Hof-Bäckereien, die ihr eigenes Getreide verbacken, aber auch Industriekunden, die z.B. Sauerteigpulver herstellen – und nicht zuletzt Privatkunden, die über den Online-Shop  laut Eigenwerbung „Mehl in Bäckerqualität“ bestellen können. Auf jede Packung wird wird der Name des Landwirts gedruckt, der das Getreide geliefert hat. „Den Kunden ist es immer wichtiger geworden, zu wissen, wo das herkommt, was sie essen oder verarbeiten“, sagt Jens Eiling. Durch Corona habe das noch einmal stark zugenommen.

Ausbau der Anlage: „So viele Aufträge, dass wir erweitern mussten“

Als sie damals anfingen, gab es drei weitere festangestellte Mitarbeiter, die 2000 bis 3000 Tonnen Mehl im Jahr produzierten. Mittlerweile hat sich der Wert auf rund 6000 Tonnen mehr als verdoppelt. 15 fest angestellte Mitarbeiter sind es jetzt. Auch weil die Brüder in die Anlage investierten. Neben der halben Million, die am Anfang nötig war, um das gepachtete Gebäude in Sichtigvor umzubauen und die Maschinen anzuschaffen, steckten sie in den vergangenen sechs Jahren weiteres Geld in neue Silos und Vermahlungsmaschinen. „Wir hatten so viele Anfragen, dass wir erweitern mussten“, sagt Thorsten Eiling. 

Trotzdem gehöre man noch zu den kleinen Mühlen im Land. Mittelständische Mühlen schafften 100 bis 250 Tonnen am Tag, die größeren 250 bis 1500. Die Eilings kommen auf 25 bis 30 Tonnen am Tag. Aber dafür eben eher als Mehl-Manufaktur, als Maßanfertigung für die Kunden, die auf gleichbleibende Qualität setzten. Seltene Sorten oder Spezialwünsche? Seien kein Problem. Es gibt Mehl aus Champagnerroggen, Waldstaudenroggen, Gelbweizenmehl, Oberkulmer Dinkelrotkorn extrafein. Die Liste ließe sich endlos fortführen. Jedes Mehl hat seine besondere Eigenschaften was den Mineralstoffgehalt angeht, die Enzymtätigkeit oder den Klebeanteil. 

Das Kilogramm vom Standard-Weizenmehl 405 kostet in der Bio-Variante 2,49 Euro – beim Discounter nur etwa ein Fünftel. „Unser Angebot richtet sich an Kunden, die bereit sind, für mehr Transparenz und Nachhaltigkeit einen höheren Preis zu zahlen“, sagt Thorsten Eiling. Davon gibt es offenbar derzeit noch mehr als genug. 

HINTERGRUND

Der Verband der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft teilt auf Nachfrage mit, dass es in ganz NRW noch 20 Mühlen gibt. Allerdings erfasse die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) nur Mühlen, die mindestens 1000 Tonnen im Jahr vermahlen. Insgesamt gibt es in Deutschland 550 Mühlen, 185 davon werden in der amtlichen Statistik erfasst. 37 von den 185 Mühlen in Deutschland sind Mühlen, die neben dem konventionellen Getreide auch Bio-Getreide vermahlen. Dabei kann es aber in den Geräten und Rohren zu messbaren Vermischungen kommen. Nur eine reine Bio-Mühle sei bekannt.


Ersterscheinung  Beitrag bei Westfalenpost.
Mit freundlicher Genehmigung der späteren Veröffentlichung auf unserer Seite für unsere Kunden und Follower.
Auf dem Bild von links nach rechts: Thorsten und Jens Eiling.
Foto: Andreas Buck / FUNKE Foto Services